„Klimaanpassung ist kein abstraktes Konzept, sondern rettet Leben!“

Zum Anlass des geplanten KoGe Kapitalisierungsworkshops zu Agroökologie und Climate Adaptation in Kenia im Oktober 2020 habe ich Anna Abel von TearFund interviewt. Ihre Partnerorganisation setzt sich im Südwesten Ugandas für integriertes Ressourcenmanagement ein. Mit grossem Erfolg, wie die Geschichte aus Nfasha aufzeigt. In diesem Blog erzählt uns Anna, wie Klimaanpassung von einem abstrakten Konzept zu einer greifbaren Realität geworden ist und Leben gerettet hat!

 Madeleine Bolliger (Koordinatorin KoGe): Eure Partnerorganisation in Uganda setzt unglaublich erfolgreich integrierte Wasserschutzprojekte gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung um. Welche Geschichte steht hinter diesem Erfolg?

Anna Abel (TearFund): Im dicht besiedelten Kabale im Südwesten von Uganda sind die Wasserquellen weit von den Dörfern entfernt. Das Gebiet ist hügelig, sehr steil. Die natürlichen Wasserressourcen sind zudem durch verschiedene Einflüsse wie Klimawandel und Bodenübernutzung gefährdet. Diese negativen Entwicklungen haben dazu geführt, dass sich der Fokus unserer Partnerorganisation KDWSP (Kigezi Diocese Water and Sanitation Programme) in den letzten Jahren zu verändern begann. KDWSP entschied: Wir wollen uns nicht mehr nur ausschliesslich um die Wasserversorgung kümmern. In Zukunft wollen wir vielmehr auch dafür sorgen, dass die Wasser-Ressourcen, aber auch andere natürliche Ressourcen, nachhaltiger genutzt werden und uns somit auch in Zukunft noch zur Verfügung stehen. Dadurch wurde die Arbeit von KDWSP breiter.

Wie muss man sich diese Entwicklung vorstellen?

Im Grunde begann alles mit der Landwirtschaft. Im April 2014 fand der erste regionale KoGe Workshop der Fachgruppe Recht auf Nahrung zu Conservation Farming statt. KDWSP war damals dabei. Als etwas mehr als ein Jahr später ein Refresher Workshop organisiert wurde, hatte KDWSP bereits begonnen, Prinzipien der nachhaltigen Landwirtschaft und Agroökologie in die Wasserprojekte miteinzubeziehen. Aber Landwirtschaft braucht auch Wasser. Gleichzeitig verändert sich das Klima, was neue Risiken für die Landwirtschaft und die Wasserressourcen birgt. Ein Weiter-wie-bisher war nicht mehr möglich. Es entstand der Wunsch, vermehrt zur Anpassung von Landwirtschaft und Ressourcenmanagement an den Klimawandel zu arbeiten. Die Frage war nur: Wie kann man so ein komplexes Thema anpacken? Hier kamen dann die Klima-Workshops von Brot für alle ins Spiel. Dort geht es um die Anwendung des sogenannten PACDR-Tools, dem «Participatory Assessment of Climate and Disaster Risks».

Das ist eine partizipative Risikoanalyse, nicht wahr?

Genau. Es geht um die Analyse der Klimarisiken und Naturgefahren in einem bestimmten Gebiet. Das Spezielle daran ist: Die Bevölkerung wird befähigt, diese Analyse selber durchzuführen. Eine Woche lang werden in verschiedenen Gruppen Risiko-Karten der Umgebung gezeichnet, Klima und Umwelt-Risiken eingeschätzt, Erfahrungen ausgetauscht. Am Schluss der Woche hat die lokale Gemeinschaft selbst eine Risikoanalyse durchgeführt und kann geeignete Massnahmen zum Schutz und zur Minderung von Umweltrisiken ausarbeiten.

Im ersten Klima-Workshop, der Ende 2014 stattfand, erlernte unsere Partnerorganisation, wie eine solche partizipative Risikoanalyse mittels PACDR Tool moderiert wird. Das Starke an dieser Erfahrung: KDWSP hat sich das Tool angeeignet. Nur wenn ein Partner eine starke eigene Motivation hat, sind solche Schulungen wirklich erfolgreich. Das war hier gegeben! Im Grunde hat das Training etwas Grösseres in Gang gesetzt, nämlich den Übergang vom klassischen Wasserprojekt – das durchaus auch sehr partizipativ war, aber doch eher im Wasserbereich blieb – zum nachhaltigen Ressourcenmanagement!

Du sagst, die lokale Partnerorganisation habe sich das Tool angeeignet. Wie ging es nach diesem ersten Klima-Training denn weiter?

KDWSP entschied: In Wassereinzugsgebieten, wo man bereits eine Wasserversorgung aufgebaut hatte, aber wo zusätzlich grosse Umweltrisiken wie Erosion, Hangrutsch, usw. identifiziert wurden, sollte die Arbeit durch ein Pilotprojekt im Bereich des integrierten Managements von Wasserressourcen (IWRM) ergänzt werden. Auch neue Gebiete sollten von Massnahmen im Bereich des integrierten Managements von Wasserressourcen profitieren. Die Grundfrage von KDWSP war: Wie können wir die Bevölkerung darin unterstützen, ihre (Wasser-)Ressourcenbewirtschaftung nachhaltiger zu gestalten und gleichzeitig besser an den Klimawandel anzupassen? Und wie kann Landbewirtschaftung hierzu beitragen? Ab Mitte 2018 wurde der erfolgreiche IWRM Ansatz für eine neue Projektphase (2018 – 2021) ausgeweitet und Komponenten des ehemaligen Wasserprojekts wurden darin integriert.

Gibt es ein konkretes Beispiel für einen solchen Prozess? Wie muss man sich das vorstellen und was wurde konkret erreicht?

Lass mich dir eine Geschichte erzählen. Es ist die Geschichte aus Nfasha im Südwesten Ugandas, einem grossen Wassereinzugsgebiet, das rund 10 Dörfer mit insgesamt über 10’600 Bewohnern umfasst. Unsere Partnerorganisation KDWSP hat dort von 2018 bis 2019 eine Projektintervention durchgeführt – eine Sensibilisierungskampagne mit partizipativen Risikoanalysen mittels PACDR Tool. Aufgrund dieser Analysen entwickelten KDWSP zusammen mit der Bevölkerung Risikomanagementpläne und lokal angepasste Massnahmenpakete, um in Zukunft besser vor Klimawandel und Naturgefahren geschützt zu sein. Die Dorfbewohner beteiligten sich aktiv bei der Umsetzung der Massnahmen. Dazu gehörten etwa die Terrassierung der Steilhänge, das Anpflanzen von Hecken zwischen den Terrassierungen sowie das Ausheben von Auffangbecken und Versickerungskanälen – alles Massnahmen, die bewirken, dass das Wasser langsamer und geordneter abfliesst. Gleichzeitig wurden zahlreiche Wasserquellen erschlossen und durch die Anpflanzung von Bäumen geschützt und das Wasser über Leitungen in die diversen Dörfer geleitet.

Die Partnerorganisation stellte Umweltingenieure zur Verfügung, die Arbeiten selbst wurden von der Bevölkerung der verschiedenen Dörfer durchgeführt. Sie organisierten sich, wechselten sich ab. Das hat die Menschen zusammengeschweisst. Die Partnerorganisation hat die Massnahmen auch noch bewusst mit Schulungen in Agroökologie kombiniert. Der Anbau der Terrassen und die Landbewirtschaftung sollten nachhaltig sein. So wurden agroökologische Anbaumethoden, (Wasser-)Ressourcenmanagement und die Anpassung an Klima und Umweltrisiken miteinander verbunden!

Als es im Herbst 2019 in Uganda starke Regenfälle gab, war der Südwesten besonders schwer betroffen. Hänge rutschten ab, Häuser wurden zerstört, Menschen starben. Nicht aber in Nfasha! Hier, wo mit Hilfe der partizipativen Risikoanalyse ein integriertes, an den Klimawandel angepasstes Wasserressourcen-Management aufgebaut worden war, gab es nur minimale Schäden. Traurigerweise waren viele Dörfer in der Umgebung von Nfasha stark betroffen. Dort gab es grosse Zerstörungen, Menschen verloren ihre Ernte, ihre Häuser – einfach alles. Der Schock sass tief, auch bei den Menschen in Nfasha. In der Folge stieg das Interesse und die Anfrage nach integrierten Wasserressourcenmassnahmen sprunghaft an. Das Momentum war riesig. Die Menschen hatten gesehen, dass Nfasha vorbereitet war und verschont blieb. Der Erfolg des Projektes sprach sich im ganzen Südwesten von Uganda herum. Klimaanpassung war von einem abstrakten Konzept zu einer greifbaren Realität geworden: Zehn Dörfer waren dank konkreten Massnahmen weitgehend unversehrt geblieben!

Ein Stück weit haben die Trainings zu Klima und Agroökologie unser ganzes Landesprogramm geprägt. Die Landwirtschaftskomponenten sind nachhaltiger geworden. Die Projekte beziehen die Anpassung an den Klimawandel mit ein.

Wie du weisst, organisieren wir als KoGe Fachgruppe Recht auf Nahrung, in der ich für TearFund Mitglied bin, im Oktober 2020 einen Kapitalisierungsworkshop zu Agroökologie und Climate Adaptation in Nairobi, Kenia. Ich werde unsere Partner von KDWSP bitten, dort ihre Geschichte zu erzählen!

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