Feedback-Mechanismen sind eine wirksame Massnahme im Bereich der Social Accountability. In diesem Blog beschreibt Daniele Polini, Programmverantwortlicher bei International Blue Cross (IBC), wie er zur Fachgruppe Good Governance gestossen ist und durch ihre Arbeit dazu motiviert wurde, gemeinsam mit Blue Cross Tschad einen Feedback-Mechanismus in Partnerschulen aufzubauen.
Madeleine Bolliger (Koordinatorin KoGe): International Blue Cross (IBC) setzt immer wieder KoGe-Themen in seinen Projekten um. Zum Beispiel habt ihr letztes Jahr einen Feedback-Mechanismus in Schulen in Tschad eingeführt, nachdem die Fachgruppe Good Governance das Beschwerdemechanismen-Handbuch publiziert hat. Welche Themen nehmt ihr auf und wie entscheidet ihr euch für bestimmte Themen?
Daniele Polini: Die KoGe ist für mich ein Labor. Sie repräsentiert Innovation. Bei der KoGe werden wichtige Themen gepusht, die sonst schnell einmal untergehen. Social Accountability* ist ein solches Thema, Sexual Abuse ein anderes. Wo sonst als in der KoGe finden wir eine Plattform, wo wir solche Themen behandeln können? Es sind Themen, die wir PVs oft bereits im Hinterkopf haben. Aber dann haben wir manchmal einfach nicht die Zeit oder die Ressourcen, diese in unseren Programmen umzusetzen. Von der KoGe und ihren Fachgruppen kommt dann der Push, den es eben braucht. Und plötzlich sagst du dir: Doch, das werde ich umsetzen! Du kriegst Material, das du einsetzen kannst. Oder dann siehst du, dass es andere tun, hörst von ihren Erfahrungen und denkst dir: Das ist toll. Das sollten wir auch tun! Es entsteht eine ansteckende Dynamik. Und am Schluss kommt vielleicht noch eine kleine Finanzspritze aus Fachgruppenmitteln hinzu, die es erlaubt, etwas Konkretes zu unternehmen.
Ist Social Accountability so ein Beispiel?
Ja! Das erste Mal mit Social Accountability befasst habe ich mich bei meiner früheren Stelle, als ich für WASH-Projekte verantwortlich war. Als der Focal Point Luise Ammerschuber gemeinsam mit der Fachgruppe Good Governance an der KoGe-Vollversammlung 2016 das Thema Social Accountability lanciert hat, fand ich das extrem interessant. Ich war damals noch nicht einmal Mitglied der Fachgruppe Good Governance. Trotzdem entschied ich mich spontan, mich genauer mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich recherchierte ein bisschen und bat Luise, mir den Draft des Beschwerdemechanismen-Handbuchs, das sie gerade für die Fachgruppe erstellte, zuzusenden. Was ich mochte, waren die Beispiele im Handbuch. Sie haben mir gezeigt: Das ist replizierbar! Es waren einfache Mechanismen. Ich habe mir gedacht: Das passt eigentlich ganz gut zu den Themen unserer Projekte, bei denen es sich ja um Interventionen in Schulen handelt.
Ihr habt dann einen Feedback-Mechanismus in Schulen in Tschad aufgezogen. Wie seid ihr vorgegangen?
Erst einmal möchte ich klarstellen: Wir entscheiden nicht, welche Themen unsere Projekte aufnehmen. Das entscheiden unsere Partner! Beim IBC haben wir in den letzten Jahren eine Herangehensweise entwickelt, die mir gut gefällt: Wir bieten unseren Partnerorganisationen aktuelle KoGe-Themen im Rahmen von alljährlichen kurzen Einführungsworkshops an – das ist wie ein «Menu», aus welchem unsere Partner wählen können. Ein Thema nach Wahl wird danach vertieft. In Tschad zum Beispiel das Thema Social Accountability.
Wir bieten unseren Partnerorganisationen aktuelle KoGe-Themen im Rahmen von alljährlichen kurzen Einführungsworkshops an – das ist wie ein «Menu», aus welchem unsere Partner wählen können.
Wie muss man sich denn so einen Workshop vorstellen?
Wir wählen zwei bis drei KoGe-Themen aus, die wir vorstellen. Im 2016 habe ich unseren Partnern die Themen Social Accountability mit Schwerpunkt «Beschwerdemechanismen» aus der Fachgruppe Good Governance sowie lokales Fundraising und Entwicklung lokaler Partnerschaften aus der Fachgruppe Capacity Development vorgestellt. Ein Einführungsworkshop fand in Brazzaville statt, der zweite in Tschad. Beide wurden übrigens von weiteren KoGe-Südpartnern der MEB und vom SME besucht, da wir die Workshops geöffnet hatten. Nach dieser Einführung durften unsere Partner selber entscheiden, welches Thema sie vertiefen wollten. Unsere Partnerorganisation in Brazzaville hat sich für das Thema lokales Fundraising entschieden, während Blue Cross (BC) Tschad das Thema Social Accountability vertiefen wollte. Sie hatten gespürt: Dieses Thema ist für Life Skills-Projekte mit Jugendlichen besonders relevant!
Wie habt ihr das Thema Social Accountability danach umgesetzt?
Als erstes haben wir Focal Points zum Thema gesucht, Leute aus der Organisation und dem Projekt, die bereit waren, sich innerhalb der Organisation als Champions für das Thema stark zu machen. Für diese Focal Points habe ich Skype-Coachings organisiert, um die Inhalte zu vertiefen. In einem zweiten Schritt haben die Focal Points ihrerseits das ganze Team vom BC Tschad geschult. Danach haben wir gemeinsam ein Pilotprojekt aufgezogen, auch mit Unterstützung der Fachgruppe. Es ging darum, einen Feedback-Mechanismus als konkrete Social Accountability-Massnahme in unseren Partnerschulen aufzubauen. Wir haben drei Schulen identifiziert, wo wir diese Intervention testen wollten, und wir haben drei vergleichbare Schulen als Kontrollgruppe gewählt. Wir haben in jeder Schule ein Social Accountability-Komitee ins Leben gerufen, welches Feedback und Beschwerden entgegennimmt, analysiert und beantwortet. Diese Komitees funktionieren bis heute sehr gut. Sie sind zusammengesetzt aus VertreterInnen der Lehrerschaft, aus Jugendlichen sowie aus VertreterInnen des BC Tschad. Die Beneficiaries, also die Jugendlichen, sind im Komitee dabei als vollwertige Mitglieder. Für mich ist das gelebte Social Accountability!
Gibt es erste Resultate?
Noch nicht. Im Sommer werden wir das Pilotprojekt evaluieren. Dann werden wir sehen, ob wir etwas bewirkt haben. Einen Fragebogen haben wir bereits vorbereitet. Bereits jetzt kann ich sagen: Krasse Beschwerden kamen zum Glück bis jetzt keine. Davor hatte ich ehrlich gesagt am meisten Respekt! Feedback haben wir sowohl zum Schulbetrieb als auch zu unserem Präventionsprogramm erhalten. Wir nehmen das Feedback ernst und schauen gemeinsam mit den Komitees, was wir umsetzen können. Dass auch Leute aus der Lehrerschaft im Komitee sitzen, erlaubt es, das Feedback betreffend Schulbetrieb direkt in die Schulen zurückzuspeisen. Im Kontext von Tschad ist das neu. Es ist erstaunlich, wie offen die Schulen dafür sind. Das hängt sicher auch mit dem innovativen Life Skills-Programm zusammen, für welches sich die Schulen vor einigen Jahren ja bewusst geöffnet haben. Sie sind erstaunlich experimentierfreudig!
Leider verlässt Daniele Polini den IBC und somit auch die Fachgruppe Good Governance. Wir wünschen ihm alles Gute!
* Social Accountability bezeichnet die Rechenschaftspflicht von Organisationen ihren Begünstigten gegenüber. Die wichtigsten Bereiche von Social Accountability umfassen transparente Information, partizipative Entscheidungen, Feedback-Mechanismen sowie inklusives Projektmanagement und -Monitoring.